Nachfolgend aufgelistet sind die wichtigsten Etappen in der Geschichte der Bundesanwaltschaft:
Mit Inkrafttreten des Strafbehördenorganisationsgesetzes (StBOG; SR 173.71) per 1. Januar 2011 wird die Bundesanwaltschaft als Strafbehörde des Bundes zu einer ausserhalb der Bundesverwaltung stehenden, sich selbst verwaltenden Behörde (Art. 16 Abs. 1 StBOG). Der Bundesanwalt und seine beiden Stellvertreter werden von der Vereinigten Bundesversammlung gewählt (Art. 20 Abs. 1 StBOG). Die (ungeteilte) Aufsicht über die Bundesanwaltschaft nimmt eine ebenfalls von der Vereinigten Bundesversammlung gewählte Aufsichtsbehörde wahr (Art. 23 ff. StBOG).
Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats vom 3. Juni 2009
Verordnung der Bundesversammlung über das Arbeitsverhältnis und die Besoldung des Bundesanwalts oder der Bundesanwältin sowie der Stellvertretenden Bundesanwälte oder Bundesanwältinnen (SR 173.712.23)
Verordnung der Bundesversammlung über die Organisation und die Aufgaben der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (SR 173.712.24)
Mit dem Bundesgesetz über die Änderung von Bundesgesetzen zur Umsetzung des Römer Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (AS 2010 4963) wird die Bundesanwaltschaft neue Kompetenzen im Bereich der Strafverfolgung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen erhalten.
Medienmitteilung EJPD vom 2. November 2010
Botschaft über die Änderung von Bundesgesetzen zur Umsetzung des Römer Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (BBl 2008 3863)
Per 1. September 1999 werden Bundespolizei und Sicherheitsdienst von der Bundesanwaltschaft abgetrennt und mit dem Bundesamt für Polizeiwesen zusammengelegt.
Verordnung betreffend die Überführung von Diensten der Bundesanwaltschaft in das Bundesamt für Polizeiwesen (PDF, 7 kB, 06.12.2017)
Medienmitteilung EJPD vom 1. Juni 1999
Medienmitteilung EJPD vom 18. August 1999
Auflösung Bundespolizei
Per 1. Januar 2001 wird die Bundespolizei aufgelöst. Deren gerichtspolizeilichen Aufgaben übernimmt die neu geschaffene Bundeskriminalpolizei (BKP); die präventivpolizeilichen Aufgaben nimmt der ebenfalls neu geschaffene Dienst für Analyse und Prävention wahr.
Der Sicherheitsdienst der Bundesverwaltung heisst nun Bundessicherheitsdienst (BSD). Siehe auch Organisation FEDPOL.
Per 1. Januar 2002 tritt die bereits erwähnte Effizienzvorlage in Kraft. Die Bundesanwaltschaft erhält neue Kompetenzen im Bereich der organisierten Kriminalität und der Wirtschaftskriminalität (altArt. 340bis StGB; heute Art. 337 StGB). Gleichzeitig ist die Bundesanwaltschaft nun eine unabhängige Justizbehörde, die als Einheit der dezentralen Bundesverwaltung dem EJPD lediglich administrativ zugewiesen ist (Art. 14 Abs. 1 BStP, Art. 8 Abs. 2 RVOV; Art. 27 OV-EJPD), das heisst bezüglich der Ressourcen (Personal, Finanzen, Infrastruktur). Der Bundesanwalt und seine Vertreter erfüllen ihre Aufgaben unabhängig von Weisungen der Wahlbehörde (Art. 16 Abs. 4 BStP).
Im Jahre 2004 eröffnet die Bundesanwaltschaft Zweigstellen in den drei Sprachregionen (1. März: Lausanne, 1. April: Lugano, 1. Juli: Zürich).
Per 1. April 2004 nimmt ferner das Bundesstrafgericht in Bellinzona seine Arbeit auf. Die Bundesanwaltschaft untersteht für ihre Ermittlungstätigkeit der Aufsicht der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts (Art. 28 Abs. 2 SGG). In ihrer Funktion als Anklägerin vor Gericht handelt sie nach freier Überzeugung (Art. 14 Abs. 2 BStP), das heisst völlig unabhängig.
Ab dem Inkrafttreten des Bundesstrafrechtspflegegesetzes am 1. Januar 1935 entwickelt sich die Bundesanwaltschaft zu einer Behörde mit folgendem Aufbau:
- Bundesanwalt
- Rechtsdienst (Chef Rechtsdienst = 1. Stellvertreter des Bundesanwalts)
- Adjunkte des Bundesanwalts
- Bundespolizei (Chef Bundespolizei = 2. Stellvertreter des Bundesanwalts)
- Schweizerisches Zentralpolizeibüro
- Personal- und Finanzdienst
- Sicherheitsdienst (SID)
Diese Organisationsstruktur wird nach der "Fichenaffäre" aufgebrochen. In den späten 1980er Jahren wird sukzessive bekannt, dass die politische Polizei der Bundesanwaltschaft während des Kalten Krieges im Rahmen des präventiven Staatsschutzes sog. Staatsschutzakten ("Fichen", Registerkarten) angelegt hat. Das Parlament beschliesst am 31. Januar 1989, eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) einzusetzen (Bundesbeschluss vom 31. Januar 1989; BBl 1989 I 541). Der Auftrag umfasst unter anderem auch eine detaillierte Untersuchung der zum Zweck des Staatsschutzes von der Bundesanwaltschaft / Bundespolizei betriebenen Datensammlungsaktivitäten mittels sogenannter Fichen.
Reorganisation und gesetzliche Grundlagen
Der Bericht der parlamentarischen Untersuchungskommission über Vorkommnisse im EJPD vom 22. November 1989 (BBl 1990 I 637; Ergänzungsbericht vom 29. Mai 1990, BBl 1990 II 1565) enthält unter anderem zwei grundlegende Forderungen, welchen in den 1990er Jahren Rechnung getragen wird:
- Einerseits betrifft dies eine Reorganisation der Bundesanwaltschaft, namentlich eine Entflechtung der Funktionen des Bundesanwalts: "Die Funktion des Bundesanwaltes als öffentlicher Ankläger soll getrennt werden von seiner Stellung als oberster Verantwortlicher der politischen, allenfalls auch der gerichtlichen Polizei." Zudem sollen die Aufgaben und Tätigkeiten der Bundesanwaltschaft an die neu zu beurteilende Bedrohungssituation der Schweiz angepasst werden: "Der Bekämpfung des internationalen Verbrechens, insbesondere des Drogenhandels und der Geldwäscherei, ist eine grössere Bedeutung zu geben." Die Umsetzung dieser Forderungen beginnt mit der "Entflechtungsvorlage" (Botschaft betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege [Entflechtung der Funktionen des Bundesanwalts] vom 18. August 1993; BBl III 669) und wird abgeschlossen mit der "Effizienzvorlage" (Botschaft über die Änderung des Strafgesetzbuches, der Bundesstrafrechtspflege und des Verwaltungsstrafrechtsgesetzes [Massnahmen zur Verbesserung der Effizienz und der Rechtsstaatlichkeit in der Strafverfolgung] vom 28. Januar 1998; BBl 1998 II 1529).
- Andererseits sollen zureichende gesetzliche Grundlagen im Bereich des Datenschutzes und der präventiven Polizei (Nachrichtendienst) geschaffen werden: "Für die Erfassung von Daten und Informationen sind genaue Kriterien aufzustellen; insbesondere der polizeiliche Generalauftrag ist für die praktische Anwendung regelmässig neu zu definieren." Entsprechend wird das Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege modifiziert bzw. ergänzt (Botschaft über die Datenbearbeitung auf dem Gebiet der Strafverfolgung [Zusatzbotschaft zum Datenschutzgesetz] vom 16. Oktober 1990; BBl 1990 III 1221). Ferner wird als gesetzliche Grundlage für den Inlandnachrichtendienst der Schweiz das Bundesgesetz vom 21. März 1997 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS; SR 120) geschaffen, welches per 1. Juli 1998 in Kraft tritt (Botschaft zum Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit und zur Volksinitiative "S.O.S. Schweiz ohne Schnüffelpolizei" vom 7. März 1994; BBl 1994 II 1127).
Der Bundesrat erlässt im Sinne einer Sofortmassnahme am 19. Januar 1990 die Richtlinien für Meldungen der Kantone und Informationsbearbeitungen bei der Bundesanwaltschaft im Bereiche des Staatsschutzes (vorläufige Negativliste; abgedruckt in BBl 1994 II 1127/1143). Die politische Polizei ist mit diesen Richtlinien des EJPD abgeschafft. Die Richtlinien bleiben bis zum 1. Oktober 1992 in Kraft und werden von den Weisungen über die Durchführung des Staatsschutzes vom 9. September 1992 abgelöst, in welche der Grundsatz, dass sich die Sicherheitsorgane nicht mit der Ausübung der verfassungsmässigen Rechte, insbesondere der politischen und gewerkschaftlichen Tätigkeit befassen, ebenfalls Eingang findet (BBl 1992 VI 154, Ziff. 13). Per 1. September 1992 wird das Zentralpolizeibüro in das Bundesamt für Polizeiwesen eingegliedert (Verordnung vom 19. August 1992 über die Eingliederung des Zentralpolizeibüros in das Bundesamt für Polizeiwesen; AS 1992 1618).
Bundesgesetz über die Bundesanwaltschaft und die Bundesstrafrechtspflege
Mit dem Bundesgesetz über die Bundesanwaltschaft vom 28. Juni 1889 (AS XI 243 [1889-1890], "Neue Folge") wird das Amt des ständigen eidgenössischen Generalanwaltes wieder hergestellt. Darin wird namentlich geregelt, dass der Generalanwalt vom Bundesrat gewählt wird und unter dessen Aufsicht steht. Der Generalanwalt übt diejenigen Funktionen aus, welche ihm durch die Bundesgesetzgebung, insbesondere durch das Gesetz über die Bundesstrafrechtspflege, übertragen sind (= gerichtspolizeiliche Funktion). Er überwacht die (politische) Fremdenpolizei bezüglich Handlungen, welche die innere oder äußere Sicherheit der Schweiz gefährden sowie die diesbezüglichen Untersuchungen (= präventivpolizeiliche Funktion). Auf besondere Weisung hin vertritt der Generalanwalt die Eidgenossenschaft vor Gericht.
Ein nächster Meilenstein ist das Bundesgesetz vom 15. Juni 1934 über die Bundesstrafrechtspflege (BStP; SR 312.0). Dieses bildet bis heute die strafprozessuale Grundlage für die gerichtspolizeiliche Tätigkeit der Bundesanwaltschaft.
Grundlage für Staatsschutz
Der dringliche Bundesbeschluss betreffend den Schutz der Sicherheit der Eidgenossenschaft vom 21. Juni 1935 (AS 1935 482) enthält sodann die Grundlage für den Aufbau eines Fahndungs- und Informationsdienstes zur Wahrung der inneren und äusseren Sicherheit der Eidgenossenschaft durch die Bundesanwaltschaft: Bundespolizei. Dieser neu geschaffene Staatsschutz ist aufgeteilt in eine gerichtliche (repressive) und eine politische (präventive = Nachrichtendienst) Polizei. Als gerichtliche Polizei untersucht die Bundespolizei die der Bundesgerichtsbarkeit unterstellten Straftatbestände, wobei der Bundesanwalt die Ermittlungen leitet. Gleichzeitig definiert dieser Bundesbeschluss aber auch neue, der Bundesgerichtsbarkeit unterliegende Tatbestände: Verbotene Amtshandlungen für einen fremden Staat, politischer, militärischer und wirtschaftlichen Nachrichtendienst zugunsten des Auslandes. Diese materiellen Bestimmungen werden später ins Strafgesetzbuch übernommen.
Nach der Affäre um Bundesanwalt René Dubois wird mit dem Bundesratsbeschluss betreffend den Polizeidienst der Bundesanwaltschaft vom 29. April 1958 (AS 1958 267) versucht, Bundesanwaltschaft und Bundespolizei teilweise zu entflechten. Der Polizeidienst untersteht dem Chef der Bundespolizei, auf dem Gebiet der politischen Polizei kann ihm der Bundesanwalt Weisungen erteilen und auf dem Gebiet der gerichtlichen Polizei leitet der Bundesanwalt die Ermittlungen selber nach Massgabe des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege.
Gründung des Bundesstaates
Mit der Gründung des Bundesstaates im Jahr 1848 beginnt auch die Geschichte der Bundesanwaltschaft. Bereits in der ersten Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft vom 12. Herbstmonat 1848 (AS I 3. "Offizielle Sammlung") bestimmt Art. 107 lit. a, durch die Bundesgesetzgebung sei die Aufstellung eines Staatsanwaltes zu regeln. Erste Bestimmungen über die Bundesanwaltschaft finden sich im Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 5. Juni 1849 (AS I 65). So bestimmt Art. 43: "Der Bundesrath erwählt einen Generalanwalt für die ganze Eidgenossenschaft (...). Die Amtsdauer des Generalanwalts geht mit derjenigen des Bundesrathes selbst zu Ende." Gemäss Art. 44 steht der Generalanwalt unter der Aufsicht und Leitung des Bundesrates. Der Generalanwalt stellt seine Anträge vor Gericht jedoch nach eigener, freier Überzeugung (Art. 46). Er nimmt die Funktion der Staatsanwaltschaft vor dem Bundesgericht wahr.
Schaffung neuer Gesetze
Mit der sukzessiven Schaffung neuer Gesetze auf Bundesebene wird auch der Aufgabenbereich der Bundesanwaltschaft erweitert. So werden dem Generalanwalt im Bundesgesetz über den Geschäftskreis und die Besoldung des Generalanwaltes vom 20. Dezember 1850 (AS II 167) nebst den Kompetenzen, die ihm das Gesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege und das Bundesgesetz betreffend das Verfahren bei Übertretungen fiskalischer und polizeilicher Bundesgesetze vom 30. Juni 1849 (AS I 87) zuweisen, auch folgende Aufgaben übertragen: Die Voruntersuchung in allen streitigen Fällen von Heimatlosigkeit, die Führung von Zivilprozessen vor dem Bundesgericht im Interesse der Eidgenossenschaft und die Besorgung oder Begutachtung anderer Rechtssachen, die ihm vom Bundesrat oder den Departementen überwiesen werden.
Das Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege vom 27. August 1851 (AS II 743) enthält Vorschriften über das "Verfahren in Strafrechtssachen", die Stellung und Aufgaben der Bundesanwaltschaft bzw. gerichtlichen Polizei und des Untersuchungsrichters in der Bundesstrafrechtspflege.
Erste Kompetenzbestimmungen
Erste Kompetenzbestimmungen (Bundesgerichtsbarkeit - kantonale Gerichtsbarkeit finden sich im Bundesgesetz über das Bundesstrafrecht der schweizerischen Eidgenossenschaft vom 4. Hornung 1853 (AS III 404; Art. 73 ff.): So sind ausschliesslich die Bundesassisen zuständig für "Hochverrath gegen die Eidgenossenschaft", für "Aufruhr und Gewaltthat gegen die Bundesbehörden", für "Verbrechen (Vergehen) gegen das Völkerrecht" sowie für "politische Verbrechen, welche Ursache oder Folge derjenigen Unruhen sind, durch die eine bewaffnete eidg. Intervention veranlasst worden ist". Für die übrigen Verbrechen liegen grundsätzlich sowohl Untersuchung als auch Beurteilung bei den kantonalen Behörden.
Das Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 27. Brachmonat 1874 (AS I 136 [1874-75], "Neue Folge") unterstellt im Bereich der Strafrechtspflege in Art. 32 folgende Tatbestände der Bundesgerichtsbarkeit: Hochverrat gegen die Eidgenossenschaft, Aufruhr und Gewalttat gegen Bundesbehörden; Verbrechen und Vergehen gegen das Völkerrecht; politische Verbrechen und Vergehen, die Ursache oder Folge derjenigen Unruhen sind, durch welche eine bewaffnete eidgenössische Intervention veranlasst wird; Fälle, in denen von einer Bundesbehörde die von ihr ernannten Beamten dem Bundesgericht zur strafrechtlichen Beurteilung überwiesen werden. Des Weiteren wird auf die Art. 73 ff. des Bundesstrafrechts vom 4. Hornung 1853 betreffend Kompetenz der Bundesassisen verwiesen.
"Der Bundesrath bezeichnet in jedem einzelnen Falle den Bundesanwalt."
Eine grundlegendere, die Bundesanwaltschaft betreffende Änderung statuiert Art. 37: "Der Bundesrath bezeichnet in jedem einzelnen Falle den Bundesanwalt." Während im Jahre 1849 an sich bereits eine ständige Bundesanwaltschaft geschaffen wurde, wird diese nun durch eine Ordnung mit einem lediglich im Einzelfall ernannten Bundesanwalt abgelöst (vgl. BGE 117 Ia 202, E. 4c).
Zwischen 1857 und 1889 besteht in der Leitung der Bundesanwaltschaft eine längere Vakanz, weil der Bundesrat nach der Demission von Generalanwalt Amiet beschliesst, die Stelle des Generalanwalts einstweilen und mit Zustimmung der Bundesversammlung unbesetzt zu lassen. Für einzelne Fälle wird in dieser Zeit jeweils ad hoc ein Generalanwalt ernannt.