Völkerstrafrecht: Rifaat AL ASSAD beim Bundesstrafgericht angeklagt

Bern, 12.03.2024 - Am 11. März 2024 hat die Bundesanwaltschaft beim Bundesstrafgericht Anklage gegen Rifaat AL ASSAD, den ehemaligen Vizepräsidenten der Arabischen Republik Syrien und ehemaligen Offizier der syrischen Armee, wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erhoben. Sie wirft dem Beschuldigten vor, im Rahmen des bewaffneten Konflikts und des ausgedehnten Angriffs auf die Bevölkerung der syrischen Stadt Hama im Februar 1982 als Kommandeur der Verteidigungsbrigaden (auf Arabisch: «Saraya al Difaa») und Befehlshaber für die Operationen in Hama Tötungen, Folter, grausame Behandlung und unrechtmässige Inhaftierungen angeordnet zu haben. Die von der Bundesanwaltschaft (BA) beim Bundesstrafgericht (BStGer) eingereichte Anklageschrift stützt sich auf Ereignisse, die sich im Februar 1982 in der Stadt Hama im Rahmen des bewaffneten Konflikts zwischen den syrischen Streitkräften und der islamistischen Opposition zugetragen haben.

Die von der Bundesanwaltschaft (BA) beim Bundesstrafgericht (BStGer) eingereichte Anklageschrift stützt sich auf Ereignisse, die sich im Februar 1982 in der Stadt Hama im Rahmen des bewaffneten Konflikts zwischen den syrischen Streitkräften und der islamistischen Opposition zugetragen haben. 

Geschichtlicher Hintergrund
Laut Anklageschrift der Bundesanwaltschaft hat der bewaffnete Konflikt zwischen den syrischen Streitkräften und der islamistischen Opposition, insbesondere dem bewaffneten Arm der Muslimbruderschaft, der als «Kämpfende Avantgarde der Muslimbruderschaft» bezeichnet wird, in der Stadt Hama Schätzungen zufolge zwischen 3000 und 60 000 Menschenleben gefordert, darunter mehrheitlich Zivilisten. Anfang Februar 1982 waren syrische Sicherheitskräfte nach Hama entsandt worden, um einen Aufstand der islamistischen Opposition niederzuschlagen. Die Operation soll Ende Februar beendet gewesen sein. Die Verteidigungsbrigaden («Saraya al Difaa») sollen hauptsächlich für die Niederschlagung verantwortlich gewesen sein. Gemäss mehreren Zeugenaussagen sollen dabei mehrere Tausend Zivilisten Opfer verschiedener Übergriffe geworden sein, die von der sofortigen Hinrichtung bis hin zu Inhaftierung und Folter in eigens dafür geschaffenen Zentren reichten.

Eröffnung einer Strafuntersuchung gegen AL ASSAD
Aufgrund einer Anzeige der Nichtregierungsorganisation TRIAL International eröffnete die BA im Dezember 2013 ein Strafverfahren wegen Kriegsverbrechen gegen Rifaat AL ASSAD, den ehemaligen Kommandeur der Verteidigungsbrigaden («Saraya al Difaa») und ehemaligen Vizepräsidenten der Arabischen Republik Syrien (1984–1998), wegen des Verdachts auf Kriegsverbrechen, die während seiner Zeit als Befehlshaber für die Operationen in Hama begangen wurden. Das Strafverfahren wurde basierend auf dem Universalitätsprinzip und der Unverjährbarkeit von Kriegsverbrechen eröffnet. Eine in diesem Zusammenhang durchgeführte Polizeikontrolle hatte ergeben, dass sich der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Eröffnung der Untersuchung auf schweizerischem Hoheitsgebiet befand. Mehrere Opfer treten im Strafverfahren der BA als Kläger auf.

Zur Anklage gebrachte Straftatbestände
In ihrer Anklageschrift wirft die BA Rifaat AL ASSAD als Verantwortlichem für die Operationen in Hama und als Kommandeur der Verteidigungsbrigaden («Saraya al Difaa») vor, mehrere Verletzungen kriegsrechtlicher Bestimmungen angeordnet zu haben. Insbesondere soll er den Truppen unter seinem Kommando im Februar 1982 den Befehl erteilt haben, die Stadt zu durchkämmen und die Einwohnerinnen und Einwohner von Hama hinzurichten. Dabei soll der Beschuldigte während der Militäroperation in Hama an Tötung, Folter, grausamer Behandlung und unrechtmässigen Inhaftierungen beteiligt gewesen sein. Die oben genannten Taten würden eine Verletzung kriegsrechtlicher Bestimmungen gemäss Artikel 109 Absatz 1 Militärstrafgesetz in der zur Tatzeit gültigen Fassung (aMStG) in Verbindung mit Artikel 108 Absatz 2 aMStG sowie dem gemeinsamen Artikel 3 der Genfer Konventionen vom 12. August 1949 darstellen. Die Tötungen, die dem Beschuldigten vorgeworfen werden, können zudem als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft werden (Art. 264a Abs. 1 Bst. a StGB).

Die BA wird ihre Anträge anlässlich der Hauptverhandlung vor dem BStGer in Bellinzona stellen. Für den Beschuldigten gilt bis zum rechtskräftigen Urteil die Unschuldsvermutung. Mit Einreichung der Anklage geht die Informationshoheit an das BStGer über.

Originalversion des Textes auf Französisch

Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen in der Schweiz vor 2011

Gestützt auf das alte Militärstrafgesetz (aMStG) sind Kriegsverbrechen seit 1968 in der Schweiz strafbar, unabhängig vom Tatort und von der Staatsangehörigkeit des Täters oder des Opfers. Artikel 109 aMStG stellt dabei ausdrücklich die Verletzung von Vorschriften internationaler Abkommen über Kriegführung, über den Schutz von Personen und Gütern sowie anderer anerkannter Gesetze und Gebräuche des Krieges unter Strafe. Artikel 3 der Genfer Konventionen sieht vor, dass im Falle eines bewaffneten Konflikts, der keinen internationalen Charakter aufweist und der auf dem Gebiet einer der Hohen Vertragsparteien entsteht, jede der am Konflikt beteiligten Parteien gehalten ist, gewisse Bestimmungen anzuwenden; so sind unter anderem Angriffe auf Leib und Leben, grausame Behandlung und Folter gegen Personen, die nicht direkt an den Feindseligkeiten teilnehmen, zu unterbleiben. Die Schweiz hat die Genfer Konventionen am 31. März 1950 und die Arabische Republik Syrien am 2. November 1953 ratifiziert.


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