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Völkerstrafrecht

Seit den Änderungen des Strafgesetzbuchs (StGB) und der Revision der Strafprozessordnung (StPO), die am 1. Januar 2011 in Kraft getreten sind, sind die Bundesbehörden die einzigen Instanzen, die in Friedenszeiten für die Verfolgung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zuständig sind. Der Täter muss sich jedoch auf dem Schweizer Territorium befinden und darf weder ausgeliefert noch an ein von der Schweiz anerkanntes internationales Strafgericht überstellt werden (Art. 264m StGB). Das Deliktsfeld Völkerstrafrecht stellt eine strategische Priorität der Bundesanwaltschaft (BA) dar.

Das Weltrechtsprinzip bildet ein zentrales Element des internationalen Strafrechts. Es erlaubt einem Staat, die Verantwortlichen schwerer internationaler Verbrechen – wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen – zu verfolgen, unabhängig davon, wo diese Taten begangen wurden oder welche Staatsangehörigkeit die Täter oder Opfer haben. Gestützt auf die Idee, dass der Kampf gegen die Straflosigkeit internationaler Verbrechen keine Grenzen kennt, ermöglicht dieses Prinzip der Strafverfolgungsbehörde, in der Schweiz Verfahren gegen Personen einzuleiten, die an solchen Verbrechen beteiligt waren, selbst wenn kein direkter Bezug zur Schweiz besteht.

Zwei besondere Merkmale des Völkerstrafrechts sind einerseits die Unverjährbarkeit der in diesem Bereich begangenen Verbrechen (Art. 101 Abs. 1 Bst. a–c StGB) und andererseits das Weltrechtsprinzip für im Ausland begangene Verbrechen, selbst wenn der Täter nicht Schweizer Staatsangehöriger ist und die Tat nicht gegen eine Schweizer Bürgerin oder einen Schweizer Bürger gerichtet war (Art. 264m Abs. 1 StGB).

Für die Eröffnung eines Strafverfahrens müssen jedoch zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein: die Anwesenheit des Täters in der Schweiz (zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung) sowie das Fehlen einer Auslieferung (wenn diese nach schweizerischem Recht nicht möglich ist) oder einer Überstellung an ein von der Schweiz anerkanntes internationales Strafgericht.

Die Sachverhalte, auf denen die Verfahren in diesem Bereich beruhen, spielen sich typischerweise im Ausland ab und liegen oft viele Jahre zurück, was die Ermittlungen regelmässig erschwert. Insbesondere die Beweiserhebung kann problematisch sein. Häufig stehen den Behörden ausschliesslich die Aussagen von Opfern und Zeugen zur Verfügung. Zudem ist der Staat, in dem die Taten begangen wurden, nicht immer bereit, im Rahmen der Rechtshilfe zu kooperieren. Darüber hinaus erschweren sowohl die Dauer der Rechtshilfeverfahren, wenn diese überhaupt gewährt werden, als auch der Umfang und die Komplexität der Ermittlungen die Untersuchung zusätzlich.